Chorwochenende: Zweimal im Jahr zieht sich CHORLONIA in Klausur zurück. Dann wird an Tönen gefeilt, an Intonation und Phrasierung gearbeitet und das Selbstbewusstsein im Tenor justiert. Diese intensiven Tage sind für alle Beteiligten eine besondere Herausforderung, da in zweieinhalb Tagen der Stundenumfang von gut sechs Proben zusammenkommen können. Aber mit der schier unerschöpflichen Energie, Geduld und immer wieder guten Laune von CHORLONIA-Leiterin Alicja und der unerschöpflichen Sanges- und Diskussionsfreude des Chores wird so ein Ritt zum Kurzurlaub. (Fotos sind hier zu finden)
Atemlos durchs Konzert
In diesem Jahr nahmen die 27 CHORLONIATEN Quartier auf Gut Breibach im Bergischen Land Quartier. Kaum angekommen, ging es gleich mit apnoetischen Atemübungen ans Eingemachte. Wenn es schon nicht Atemlos durch die Nacht geht, dann wenigstens anaerob durch die Probe.
Stimmgruppenübergreifend beliebt: Hilfreiche Hinweise aus dem Tenor
Während CHORLONIA-Leiterin Alicja mit ihrer gewohnten wie geschätzten Mischung aus charmanter Autorität, angemessenem Anspruch und rheinisch-polnischem Frohsinn die charakterstarken Stimmgruppen durch die Untiefen von Vokalausdruck und Intonation führte, konnte der Tenor durch sachdienliche Kommentare und willkommene Hinweise zum Verbesserungspotential der künstlerischen Arbeit bei Bass, sowie Alt und Sopran seine stimmgruppenübergreifende Beliebtheit vertiefen. Wie überhaupt sich zeigte, dass der Tenor oft so subtil arbeitet, dass es sich eher auf die Tiefenmuskulatur des Chorkörpers auswirkt. Chor-Pilates sozusagen.
Apropos Klangkörper: Erfreulicherweise hat sich in den letzten zwei Jahren einiges in der Besetzung getan, so dass CHORLONIA sich mit engagierten Stimmen verstärken konnte. Wenngleich der Zulauf bei den Herren im Vergleich bislang überschaubar ist, kann dafür eine fast 100% Aufnahmequote festgestellt werden. Böse Zungen schlugen für die Herrenstimmen schon als Werbeslogan vor „Herzlich willkommen, wir nehmen jeden. Aufnahmekriterium: Vorbeikommen!“
Wenn weniger mehr ist: Wieviel mehr ist dann erst mehr?
Aus der eigenen Dynamik des Probenverlaufs ergaben sich am Wochenende sogar Einfälle zu Choreographie und Ausdruck, Positionen und Posen, Aufstellungen und Dramaturgie. Für CHORLONIA, die sich bislang auf die rein musikalische Arbeit konzentrierten (im Sinne von: Texte beherrschen, auch im Zustand der Verwirrung Souveränität vortäuschen und Orientierung mimen), ein neues Feld. Von einer großen Mehrheit im Chor wegen ihrer komplexitätssteigernden Wirkung den antizipierten Auftrittsblackout mit Vorfreude nochmal aufladen.
So wunderte es wenig, dass die ein oder andere kürzlich vom Sopran in den Alt migrierte Stimme, sich beim Gewusel von alternierenden Aufstellungen auf einmal in der falschen Stimmgruppe wiederfand. Aber durch Smoorland-Technik („Die kleine Elke kann jetzt im Sopran abgeholt werden…“) und ein schnell etabliertes Mentorensystem, werden solche Irritationen zur willkommenen Belebung der Chor-Arbeit.
Wer singen kann, darf auch feiern
Neben allem Vokal-Drill kam aber natürlich auch das Gesellige nicht zu kurz: Beim Tischkicker wurden letzte Fragen geklärt und ein unerschütterlicher Kern von selbst nach 25 Jahren Chor immer noch zum Feiern wild Entschlossene überließen sich der Lotterie der in Tenor-Mathias Handy verfügbaren Titel. Das hielt neben vielen Begegnungen mit großen Werken des Grunge und Rock der 90er Jahre das Vergnügen einer live neu kuratierten Abfolge von Beatles-Songs bereit.
Derart zersungen, ausdiskutiert und durchgetanzt sanken die müden Häupter erschöpft in die Kissen – aber glücklich. Unterm Strich steht so, wie immer die Bilanz: Ein Leben ohne Chorwochenende ist zwar vorstellbar, aber sinnlos.